Zwischen Flexibilität und Planungssicherheit:

Supply Chain Resilience

von Carolina Engl  – 6 Min Lesedauer
zuletzt aktualisiert 07.03.2022

Von Stau auf der Autobahn bis hin zu Personalausfällen infolge einer globalen Pandemie: Lieferketten sind störungsanfälliger als uns lieb ist. Da es im Onlinehandel ganz besonders darauf ankommt, dass alle Prozesse reibungslos ineinandergreifen, legen immer mehr Unternehmer:innen großen Wert auf die Widerstandsfähigkeit ihrer logistischen Strukturen – auf sogenannte Supply Chain Resilience.

 In diesem Artikel lest ihr, warum es sich lohnt, Supply Chain Resilience in zwei Richtungen zu denken: Reaktiv und proaktiv. Außerdem zeigen wir drei Ansatzpunkte für eine Supply-Chain-Analyse, die euch dabei helfen, eure Lieferketten sicherer zu gestalten und gleichzeitig unausgeschöpfte Potenziale im Unternehmen aufzudecken.

Was bedeutet Supply Chain Resilience? Eine Definition

Supply Chain Resilience ist ein Begriff, der hauptsächlich im Risikomanagement zum Einsatz kommt. Er bezeichnet die Widerstandskraft einer Lieferkette gegen Störungen im Betriebsablauf. Auf Deutsch wird Supply Chain Management meistens als „Belastbarkeit der Lieferkette“ übersetzt – was aber im Vergleich zum englischen Begriff weniger darüber aussagt, was wirklich hinter diesem Konzept steckt. 

Ganz allgemein bezeichnet Resilienz die Fähigkeit eines Systems, so mit belastenden Situationen umzugehen, dass diese keinen bleibenden Schaden anrichten. Angewandt auf das Supply Chain Management bedeutet das, dass eine Lieferkette infolge von Störungen nicht zusammenbricht. Der Grund dafür besteht aber nicht darin, dass sie einfach viel aushält: Vielmehr geht es darum, dass die Supply Chain sich an ihre Umgebung anpasst und gar stärker aus schwierigen Situationen hervorgehen kann.

Reaktiv und proaktiv: Wie sieht Supply Chain Resilience in der Praxis aus?

 

 

Resilienz lässt sich in zwei Richtungen denken: Reaktiv, um aktuelle Probleme zu lösen – und proaktiv, um gegen künftige Störungen gewappnet zu sein. Im Supply Chain Management bedeutet das eine Kombination aus Troubleshooting und strategischer Planung.

Stellen wir uns beispielsweise vor, dass ein:e Onlinehändler:in mitten im Black Friday Sale feststellt, dass nicht genug Versandkartons auf Lager sind. Weil aber gerade alle Onlineshops einen hohen Bedarf an Versandmaterialien haben, dauert auch die Nachbestellung länger als sonst. Die Supply Chain ist also an gleich zwei Punkten gestört: Die Auftragsabwicklung stockt und die Lieferung der erforderlichen Versandmaterialien dauert zu lange.

Reaktive Resilienz in der Supply Chain bedeutet, in Momenten wie diesen schnell zu reagieren und erst einmal das aktuelle Problem zu lösen: Wir brauchen mehr Kartons, damit wir die Bestellungen aus dem Sale zügig versenden können. Anstatt darauf zu warten, dass sich die Lieferzeiten bei unserem gewohnten Lieferanten normalisieren, bestellen wir also an anderer Stelle.

Ferner nutzen wir das Erlebnis aber auch, um das Thema Supply Chain Resilience an den nun identifizierten Problempunkten proaktiv anzugehen. Indem wir die Auftragsabwicklung an einen professionellen Fulfillment-Partner auslagern, stellen wir sicher, dass unsere Abläufe beim nächsten großen Sale ganz flexibel mit dem Auftragsvolumen skalieren. 

Warum es sich lohnt, blinde Flecken im Risikomanagement frühzeitig zu identifizieren

Kleine Störungen in der Supply Chain sind zwar ärgerlich, meistens aber nicht weiter wild. Um die Abschnitte einer Lieferkette, an denen es häufig zu Vorfällen kommt, resilient zu gestalten, planen die meisten Unternehmen im Verlauf der Zeit mit kleinen Puffern. 

Kommt eine Lieferung etwa ein, zwei Tage später an, weil sie in den Stau geraten ist oder der Zoll etwas länger gebraucht hat, bringt das beispielsweise nicht viel durcheinander. Da ihr die durchschnittliche Lagerdauer eurer Produkte kennt, habt ihr ohnehin so vorausschauend bestellt, dass ihr bis zur nächsten Lieferung einfach den Rest der alten Charge versenden könnt.

Schwieriger wird es, wenn ausgerechnet an Stellen innerhalb der Supply Chain Probleme auftreten, an denen bislang immer alles reibungslos lief: Das sind die Störungen im Betriebsablauf, die ein Unternehmen kalt erwischen – einfach, weil kein Plan B zur Hand ist. 

Der Aufbau einer sicheren Lieferkette beginnt daher gewöhnlich mit einem umfassenden Risiko-Assessment, das jeden Schritt der Supply Chain kritisch hinterfragt: Brauchen wir den wirklich? Und was, wenn hier etwas schiefgeht?

Drei Ansatzpunkte für die Analyse eurer Supply Chain Resilience

Eine krisensichere Lieferkette setzt nicht voraus, dass ihr dabei alle potenziellen Risiken entdeckt, bevor sie sich zu echten Problemen entwickeln können: Auch die beste Planung kann nicht verhindern, dass früher oder später irgendetwas schiefläuft. 

In der Praxis lebt Supply Chain Resilience vom Zusammenspiel der proaktiven und reaktiven Elemente. Wer sich gut vorbereitet, kann im Fall eines Falles schließlich gelassener reagieren – und wer seine Erfahrungswerte wieder ins Supply Chain Management einfließen lässt, trägt damit zur konstanten Weiterentwicklung der Lieferkette bei.

Hier sind drei Fragen, die euch dabei helfen, Schwachstellen entlang der Lieferkette aufzudecken und eure E-Commerce-Erfahrungen in effektive Logistik-Strategien umzusetzen.

1.  Gibt es für jeden Schritt einen Plan B?

Damit nicht eine einzige Störung die gesamte Supply Chain aus der Bahn werfen kann, lohnt es sich, redundante Strukturen aufzubauen. Das muss nicht unbedingt bedeuten, dass ihr für jeden Schritt in der Lieferkette zwei parallele Angebote nutzt – je mehr Partnerunternehmen involviert sind, desto kostspieliger und unübersichtlicher wird schließlich auch das Gesamtbild. Um die Supply Chain Resilience zu verbessern, ist es aber ratsam, für jeden Schritt in der Kette einen Plan B parat zu haben. So könnt ihr im Bedarfsfall eure Abläufe an die Gegebenheiten anpassen, ohne erst lange recherchieren und Preise vergleichen zu müssen.

2. Habt ihr eine kleine Notfallreserve am Lager?

Wer sein Lager immer „just in time“ aufstockt, läuft Gefahr, dass bereits kleine Störungen wie ein Stau oder eine vor den Feiertagen etwas längere Bearbeitungszeit beim Zoll ein leeres Lager zur Folge haben. Um das zu verhindern, sollte eine sichere Lieferkette daher auch die Balance zwischen Lean Management und Notfallreserve halten: Das Ziel besteht darin, genau die Mengen ans Lager zu legen, die euch im Fall eines Falles genug Zeit geben, um auf Plan B umzusteigen und anderweitig für Nachschub zu sorgen.

3. Könnt ihr euer Lager in Echtzeit prüfen?

Euer neues Produkt hat sich als Bestseller herausgestellt, aber ausgerechnet jetzt steckt ein Frachtschiff im Ärmelkanal fest und niemand weiß, wann die nächste Lieferung ankommen wird? Oder ist ein:e Lieferant:in kurzfristig ausgefallen und die Produktion droht, ins Stocken zu geraten? 

Auch in Sachen Supply Chain Resilience profitiert ihr davon, wenn Onlineshop und Lager über digitale Schnittstellen miteinander verbunden sind. So findet ihr auf einen Klick heraus, was ihr vorrätig habt – und könnt umso schneller euren Plan B für die Nachbestellung aktivieren, wenn der Bestand nicht ausreicht.

Warum eine transparente Lieferkette nicht nur die Supply Chain Resilience stärkt

Eine ganzheitliche Strategie für mehr Supply Chain Resilience birgt gleich zwei große Vorteile. Betrachtet ihr die Lieferkette als großes Ganzes, stellt ihr nämlich nicht nur sicher, dass ihr gegen Störungen abgesichert seid: Durch die regelmäßige Kontrolle der einzelnen Schritte lernt ihr auch eure eigenen Betriebsabläufe besser kennen. Und das eröffnet oft ungeahntes Potenzial.

So könnt ihr die kontinuierliche Überprüfung der Supply Chain Resilience zum Anlass nehmen, auch die Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit eurer Lieferkette regelmäßig zu überprüfen. Wenn ihr von Lieferanten und Dienstleistern Angebote für euren Plan B einholt, könnt ihr unter anderem die Gelegenheit für einen Preisvergleich nutzen. 

Und wenn ihr ohnehin Versandbedingungen vergleicht, könnt ihr auch die Emissionen auf den einzelnen Versandwegen zu einem Faktor eurer Routine-Analyse machen und so effektives Risikomanagement mit dem Aufbau einer nachhaltigen Lieferkette  verbinden.

Titelbild von Wokandapix . Weitere Bilder von VisionPics.

 

Carolina Engl

Content Marketing Manager

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