Experteninterview Teil 1:

Onlineshop-Optimierung ohne Risiken und Nebenwirkungen: Die Vorteile von A/B-Testing

von Carolina Engl  – 8 Min Lesedauer
zuletzt aktualisiert 29.11.2021

Ein gut designter Onlineshop macht Lust zum Einkaufen – er zeigt die Produkte von ihrer schönsten Seite und ist so geschickt gestaltet, dass Kund:innen ihre Buyer Journey intuitiv und voller Vorfreude durchlaufen. Was genau das konkret für Layout und Content bedeutet, lässt sich aber leider nicht pauschal sagen: Jedes Produkt hat andere Eigenschaften, jede Marke ein anderes Corporate Design – und vor allem fühlen sich verschiedene Zielgruppen auch durch unterschiedliche Designs und Inhalte angesprochen.

Um all diese Faktoren ins Gleichgewicht zu bringen, müssen Marketing und Webdesign zuverlässig ineinander greifen und ihre Strategien immer wieder hinterfragen. „Aus diesem Grund erweist sich die Gestaltung eines Onlineshops zumeist als Prozess, in dessen Verlauf Unternehmer:innen ihre Websites immer wieder überarbeiten“, weiß auch Samuel Hess, einer der Gründer von Drip Agency, aus langjähriger Erfahrung. Als Experte für Onlineshop-Optimierung hat er uns im Interview verraten, wie Unternehmer:innen auch ausgefallene Ideen für die Gestaltung ihrer Onlineshops risikofrei testen können.

Lies hier, wie du mit A/B-Tests deinen Unternehmenserfolg messen kannst und für welche Onlineshops sich diese Methode zur Steigerung des Umsatzes am meisten rentiert.

Samuel Hess, Co-Founder von Drip Agency.

Das Team von Drip Agency hilft Unternehmen dabei, ihre Onlineshops strategisch weiterzuentwickeln. Was genau ist dabei eure Rolle?

Samuel Hess: Geht eine Änderung an einem Onlineshop sofort live, bedeutet das immer ein gewisses Risiko. Was, wenn das neue Layout nicht so gut ankommt wie das alte? Was, wenn die Kund:innen das neue Design nicht mehr übersichtlich finden und stattdessen frustriert den Kauf abbrechen? Wenn eine Änderung am Onlineshop schiefgeht, kostet das Unternehmer:innen nicht nur Geld, Zeit und Nerven: Schlimmstenfalls verlieren sie durch das Hin und Her auch Stammkund:innen, die einfach keine Lust mehr haben, einen Shop zu besuchen, in dem sich ständig irgendetwas verändert.

Damit so etwas nicht passiert, gibt es Vorab-Tests. Und genau da kommen wir ins Spiel: Wir helfen den Unternehmen dabei, den Erfolg ihrer Änderungen zu messen, bevor sie für alle Kund:innen sichtbar online gehen. Das mindert das Risiko bei Anpassungen und ermöglicht es den Unternehmen, ihre Website auf Grundlage zuverlässiger Daten über das Verhalten der User:innen strategisch weiterzuentwickeln.

Ihr verwendet dafür eine ganz bestimmte Methode, das sogenannte A/B-Testing. Welche Vorteile hat das für die Unternehmen?

Samuel Hess: Im Grunde folgen A/B-Tests einem ganz einfachen Prinzip aus der Marktforschung: Wir zeigen der Zielgruppe zwei Versionen einer Website und finden heraus, welche besser ankommt. Während der Testphase teilen wir die User:innen, die die Onlineshops unserer Kund:innen besuchen, in zwei Gruppen auf: Die einen bekommen die aktuelle Version des Shops angezeigt, aber die zweite Gruppe leiten wir zu einer überarbeiteten Variante der Website weiter. Indem wir ihr Klick- und vor allem Kaufverhalten tracken, können wir ermitteln, welche Version die bessere Conversion Rate und vor allem den meisten Umsatz erzielt.

Der wohl größte Vorteil dieses Vorgehens besteht darin, dass der Onlineshop auch während der Testphase in seiner bereits erprobten Form online bleiben kann: So gibt es keine Verkaufspause. Außerdem leiten wir immer nur einen übersichtlichen Teil der User:innen zur neuen Version der Seite weiter. Selbst wenn die Veränderungen nicht gut ankommen, kann der Umsatz so nie bedrohlich weit einbrechen. Zusätzlich behalten wir die Zahlen genau im Blick. Die Mindesttestlaufzeit beträgt dabei immer einen Buying Cycle, die maximale Testlaufzeit hängt dagegen davon ab, wie klein die nachzuweisenden Effekte sind, die man nachweisen möchte. Im Schnitt laufen die Tests bei uns so meistens zwischen zwei bis sechs Wochen, bei komplexeren Testings auch länger. So gibt das A/B-Testing Unternehmen die Chance, auch große, disruptive Ideen ganz ohne Risiko auszuprobieren.

Anhand welcher Kennzahlen ermittelt ihr, welche Version eines Onlineshops im Praxistest besser abschneidet?

Samuel Hess: Das mag im ersten Moment ein bisschen überraschen, aber im Gegensatz zu vielen anderen Methoden im Onlinemarketing zielen wir im A/B-Testing nicht auf eine Conversion-Rate-Optimierung ab. Stattdessen setzen wir etwas größer an und gehen der Frage nach, welche Version eines Onlineshops mehr Umsatz generiert: Ist die neue Version wirklich verkaufsstärker als die, die das Unternehmen derzeit verwendet? Nur anhand der Conversion Rate den Unternehmenserfolg messen zu wollen, wäre da einfach zu kurz gegriffen.

Die Conversion Rate gibt uns Auskunft darüber, welche Version des Onlineshops mehr zum Kaufen anregt. Für die Onlineshop-Optimierung ist das ein wichtiger Datenpunkt – aber eben nicht der einzige, den wir brauchen, um uns einen guten Überblick zu verschaffen. Wie viel die einzelnen User:innen einkaufen, das steht schließlich auf einem ganz anderen Blatt.

Generell gilt nämlich, dass die Messung der absoluten Conversion Rate wenig Aussagekraft hat, weil sie von so vielen Faktoren abhängig ist. Im Sinne einer produktiven Analyse und Zielsetzung messen wir daher immer die relativen Datenabweichungen, also wie viel schlechter oder besser die Conversion Rate in der Variante vs. der Originalversion eines Shops ausfällt. So stellen wir sicher, dass alle Schwankungen wie beispielsweise Marketingkampagnen mit einberechnet werden.

Unsere Hauptmetrik ist daher eine, die Conversion Rate und Umsatz nicht separat betrachtet, sondern diese beiden Elemente zusammenbringt. Die Kennzahlen, auf die wir achten, liefert uns die Average Revenue per User (ARPU), also der durchschnittlichen Umsatz pro Benutzer:in. Bei gutem Tracking von Nutzerverhalten lässt sich der auch leicht berechnen: Dafür müssen wir einfach den durchschnittlichen Bestellwert mit der Conversion Rate multiplizieren. Und auch die ARPU messen wir selbstverständlich relativ, um jegliche Schwankung mit einzuberechnen.

 

 

Durch Tracking von Nutzerverhalten kannst du auch die Produktentwicklung unterstützen.

Der durchschnittliche Umsatz pro Benutzer:in ist aber nicht der einzige Key Performance Indicator (KPI), den ihr während eines A/B-Tests trackt. Wozu dienen die übrigen Kennzahlen?

Samuel Hess: Wer einen Onlineshop optimiert, arbeitet letzten Endes immer auf ein- und dasselbe Ziel hin: mehr Umsatz. Deshalb werten wir unsere A/B-Tests auch vorrangig mit Blick auf den durchschnittlichen Umsatz pro Benutzer:in aus. Alle weiteren KPIs, die sich in einem Onlineshop messen lassen, also beispielsweise die Bounce Rate, die beschreibt, wie viele User:innen nur eine einzige Unterseite in einem Shop aufrufen und dann wieder abspringen, oder die Zahl der Klicks, die verschiedene Buttons erzielen, sind für unsere Aufgabe zweitrangig.

Dass wir sie trotzdem tracken, hat einen guten Grund: Wenn wir diese Kennzahlen gleich von Anfang an erheben, können andere Bereiche im Unternehmen davon profitieren. Stellen wir beispielsweise im Lauf eines A/B-Tests fest, dass die neue Version eines Onlineshops zwar insgesamt mehr Umsatz einbringt, gleichzeitig aber auch die Bounce Rate steigt, kann diese Information Impulse und neue Testideen für die weitere Entwicklung der Website geben.

So kann AB-Testing auch weitreichenden Einfluss auf die Produktentwicklung haben. Ein Beispiel aus der Praxis: Wir finden durch unsere Tests heraus, dass es mehr Käufe gibt, wenn ein Onlineshop ein Produkt statt in 6er-, 12er- oder 18er-Packs in Form von 4er-, 8er- oder 12er-Packs zum gleichen Preis anbietet. Nun kann die Abteilung Produktentwicklung in Zukunft die Mengen der Packs anders planen und beispielsweise auch Verpackungen darauf optimieren, um so für mehr Umsatz zu sorgen.

Datenbasierte Onlineshop-Optimierung: Wann ist der richtige Zeitpunkt, um über A/B-Tests nachzudenken?

Samuel Hess: Grundsätzlich kann jede geplante Änderung an einer Website mit einem A/B-Test auf ihre Erfolgsaussichten untersucht werden. Als rentable Investition erweist sich ein solcher Test aber gewöhnlich erst ab einer bestimmten Unternehmensgröße. Das liegt vor allem daran, dass konstantes AB-Testing mit im Schnitt 24 Tests pro Jahr laut unserer internen Daten binnen 12 Monaten ein zusätzliches Plus von 8 bis 12 Prozent auf den Gesamtumsatz mit sich bringen kann. Wenn wir bei einem Jahresumsatz von sechs Millionen zwei Prozent Uplift schaffen, sind das 120.000 Euro.

Wenn wir aber einen Jahresumsatz von 100.000 Euro um zwei Prozent steigern, sind das eben nur 2.000 Euro, von denen auch direkt die Kosten für den Test abgehen. Daher lohnt sich A/B-Testing für kleine Unternehmen meistens einfach noch nicht.

Darüber hinaus ist eine gewisse Unternehmensgröße auch erforderlich, um eine umfassende Datengrundlage für den A/B-Test zu erzeugen. Für einen aussagekräftigen Test müssen wir vom Hinzufügen eines Produkts zum Warenkorb bis hin zu den Checkouts alle wichtigen Events im Verlauf der Customer Journey tracken. Daher bietet es sich meist erst ab einem Jahresumsatz von etwa 3-6 Millionen Euro an, zu prüfen, ob ein Testing sinnvoll ist, was wiederum von Faktoren wie Transaktionsvolumen und Average Order Value, Subscription Model abhängt. Komplett pauschal lässt sich das allerdings nicht sagen und sollte von Fall zu Fall analysiert werden.

Generell gilt: Je mehr User:innen die neue Fassung der Website ausprobieren, desto kleinere Uplifts lassen sich nachweisen – und desto genauer lässt sich auch der Unternehmenserfolg messen.

Aus diesem Grund eignet sich A/B-Testing als Methode zur Onlineshop-Optimierung vor allem für Unternehmen, die Mittel und Wege suchen, um ein bereits stark am Markt verankertes Business weiter zu skalieren.

Titelbild von Pixabay. Weitere Bilder von Drip Agency und Jason Goodman.

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