Experteninterview Teil 2:

Kleine, präzise Schritte: Warum Onlineshop-Optimierung mit A/B-Testing langfristige Strategien erfordert 

von Carolina Engl  – 8 Min Lesedauer
zuletzt aktualisiert 07.12.2021

„Wenn es um die Gestaltung des Point of Sale geht, verhält es sich im Onlinehandel wie im stationären Einzelhandel auch: Trends und Tipps können zwar durchaus als Ansatzpunkte und Inspiration dienen, schlussendlich muss die Einrichtung zu den Produkten, zur Markenidentität und nicht zuletzt auch zu den Kund:innen passen.“ Samuel Hess ist einer der Gründer von Drip Agency, einer Digitalagentur, die sich auf datengestützte Shop-Optimierung spezialisiert hat. 

Wenn es um die langfristige Weiterentwicklung von Onlineshops geht, rät er seinen Kund:innen vor allem eines: „Verlasst euch auf nichts, was ihr nicht selbst überprüft habt.“ Das bedeutet allerdings weit mehr als nur rigoroses A/B-Testing: Auch die Teststrategie selbst sollte dabei zur Debatte stehen, denn wer zu viel auf einmal herausfinden will, verringert schnell den Aussagegehalt der Ergebnisse.

Wir haben uns mit Samuel Hess darüber unterhalten, was A/B-Testing so effizient macht. Lies hier, warum datengestützte Onlineshop-Optimierung immer ein langfristiges Projekt ist und wie die Expert:innen bei der Entwicklung ihrer Teststrategie vorgehen.

Samuel Hess, Co-Gründer von Drip Agency

Warum eignet sich A/B-Testing so gut, um auch die Usability von erfolgreichen Onlineshops zu verbessern, die ihre Zielgruppen doch ganz offensichtlich schon stark ansprechen?

Samuel Hess: A/B-Testing verbindet Zielgruppenanalysen und Verkaufspsychologie, wie man sie aus dem klassischen Onlinemarketing kennt, mit wissenschaftlichen Methoden. Jeder Website-Test ist ein Experiment, das wir unter klar festgelegten Bedingungen durchführen. Das macht die Ergebnisse im A/B-Testing so zuverlässig: Sie bilden mit empirischen Daten ab, wie sich die Marketingstrategien der Unternehmen auf die Performance ihrer Onlineshops auswirken – und das ermöglicht es, auch an performancestarken Websites immer noch eine Stellschraube zu finden, an der es sich zu drehen lohnt.

Die wichtigste Voraussetzung für wirkungsvolles A/B-Testing ist allerdings auch, dass hinter jedem Test eine ganz konkrete Hypothese steht. Bevor wir einen Test ansetzen, überlegen wir daher mit unseren Kund:innen zusammen, von welchen Veränderungen am Onlineshop wir uns welche Auswirkungen auf die Performance versprechen. So stellen wir eine klar konturierte Hypothese über die Anpassung auf: „Wenn wir X verändern, passiert Y, weil Z.“ Und die überprüfen wir dann in der Praxis.

Stellen wir uns beispielsweise einen Onlineshop vor, in dessen Startseite wir ein neues Element integrieren – eine Box, die anzeigt, welchen Influencer:innen die hier verfügbaren Produkte gefallen. Die Hypothese hinter dieser Anpassung könnte zum Beispiel so lauten: „Das Testimonial auf der Startseite steigert die Conversion Rate, weil die User:innen, die neu in diesen Onlineshop kommen, auf das Urteil der Influencer:innen vertrauen.“ Ob das wirklich der Fall ist, würden wir dann herausfinden, indem wir den ARPU (Average Revenue per User, ergibt sich aus Average Order Value x Conversion Rate) dieser angepassten Version des Onlineshops mit dem durchschnittlichen Umsatz pro Nutzer des Original-Onlineshops vergleichen.

Welche Elemente einer Website können im A/B-Testing auf ihre Performance überprüft werden?

Samuel Hess: Frischer Content, neues Corporate Design, bessere Produktfotos oder einfach nur größere Buttons: Das Schöne am A/B-Testing ist, dass sich im Grunde alles, was sich auf die Customer Journey auswirkt, datengestützt untersuchen lässt. Oft stellt sich dabei übrigens heraus, dass es gar keinen großen Relaunch braucht, um ein starkes Ergebnis zu erzielen. Vor allem bei den Websites von Unternehmen, die erfolgreich am Markt Fuß gefasst haben, geht es meistens eher darum, die bestehenden Elemente auf die bestmögliche Art und Weise zu präsentieren.

Verpassen wir beispielsweise dem Button für einen Größenkonfigurator einen auffälligeren Look oder verschieben wir ihn an eine Stelle, an der er nicht mehr übersehen wird, steigern wir die Wahrscheinlichkeit, dass User:innen dieses Tool benutzen. Und je mehr User:innen wissen, welche Größe für sie die richtige ist, desto höher ist nun einmal auch die Wahrscheinlichkeit, dass die virtuelle Anprobe mit einem Kaufabschluss endet. Gerade weil die kleinsten Anpassungen oft die größte Wirkung erzielen, dauert es aber meistens auch eine Weile, bis wir eine Website exakt so ausgerichtet haben, dass alle Elemente optimal zusammenspielen.

Wie viel Zeit sollten Unternehmer:innen für eine gründliche Überarbeitung Ihrer Website einplanen?

 

Mit A/B-Testing Nutzerverhalten zu analysieren ist ein lohnenswerter Prozess, der langfristig betrieben werden sollte.

Samuel Hess: A/B-Testing vergleicht immer nur zwei Versionen einer Website miteinander. Stehen beispielsweise drei oder vier verschiedene Optionen zur Debatte, beginnen erfahrene Tester:innen mit der Variante, von der sich alle Beteiligten den stärksten Uplift – also die größte Umsatzsteigerung – versprechen. Alle weiteren Versionen des Onlineshops müssen anschließend in separaten Tests überprüft werden. Theoretisch ließen sich auch 10 Varianten gleichzeitig testen, bei den meisten Shops ist das jedoch wenig sinnvoll und würde auch sehr lange dauern. 

Hinzu kommt, dass sich auch die einzelnen Varianten am besten in kleinen Inkrementen testen lassen: Verändert das A/B-Testing zu viel auf einmal, wird es schwer, festzustellen, was welchen Effekt auslöst. Angenommen, wir stellen neue Produktbilder ein und entfernen auf der Produktübersichtsseite gleichzeitig die Preise: Wenn mehr User:innen von dieser neuen Übersichtsseite aus zu einzelnen Produktseiten weitergehen, sagt uns das nichts darüber, welche dieser beiden Anpassungen für das Ergebnis verantwortlich ist. 

Ist eine der Anpassungen sehr positiv und die andere leicht negativ, sehen wir dabei auch nicht, dass wir eigentlich gerade Verschnitt produzieren – wir sehen ja nur die Summe aller Effekte. Daher bedeutet professionelles A/B-Testing eigentlich immer eine ganze Testreihe: Erst wenn feststeht, dass die neuen Produktfotos die Conversion Rate verbessern, können wir in einem zweiten Schritt die Preise entfernen und prüfen, wie sich das auswirkt.

Da wir für jeden dieser Schritte eine eigene Testphase einkalkulieren müssen, ist umfassendes A/B-Testing ein Prozess, der die Onlineshop-Optimierung langfristig und kontinuierlich in kleinen, dafür aber auch sehr präzisen Schritten vorantreibt. Denn Optimierung ist ein immerwährender Prozess: Trends, Märkte und Kaufverhalten ändern sich mit der Zeit – entsprechend empfehlen wir Unternehmen, am besten durchgängig zu experimentieren und zu testen.

Was sollten Onlineshop-Betreiber:innen bei der Entwicklung ihrer Teststrategie beachten?

Samuel Hess: Effiziente Onlineshop-Optimierung lebt von der Balance zwischen Gründlichkeit und strategischem Abwägen. Nicht alles, was man an deinem Onlineshop ändern könnte, muss im Vorab getestet werden. Anpassungen am Kontaktformular oder am Helpcenter können Unternehmer:innen zum Beispiel direkt vornehmen. Zum einen wirken sich diese Seiten nicht stark auf den Kaufabschluss aus – die User:innen, die diese Bereiche nutzen, wollen schließlich nicht kaufen, sondern Informationen einholen – und zum anderen würde ein A/B-Test an dieser Stelle nur den Kund:innensupport durcheinander bringen.“

Um unnötige Tests zu vermeiden, würde ich für Onlinehändler:innen, die sich für professionelles A/B-Testing interessieren, drei Tipps geben. Wägt erstens die Kosten von realistisch gegen den Nutzen ab und beschränkt datengestützte Optimierungsmethoden zweitens immer auf die Bereiche der Customer Journey, die ihr in euren Onlineshops auch wirklich gut tracken könnt.

Drittens – und das ist so ein bisschen die Kirsche auf dem Eisbecher – lohnt es sich, nach einer Agentur Ausschau zu halten, die Expertise im Bereich Psychologie mitbringt, denn das erleichtert das Aufstellen von Hypothesen. In Rücksprache mit den Marketing-Expert:innen im Unternehmen können Expert:innen für Verkaufspsychologie Profile der jeweiligen Zielgruppen erstellen, auf denen die „wenn-dann“-Vermutungen hinter den Tests basieren. 

Titelbild von Mollie Sivaram. Weiteres Bild von Markus Winkler.

 

Carolina Engl
Content Marketing Manager

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