Finanzierungsmöglichkeiten für Wachstum im Onlinehandel: Was Ihr als Unternehmer:innen wissen solltet

von Moritz Witte  – 6 Min Lesedauer
zuletzt aktualisiert 16.05.2022

Die meisten Onlinehändler:innen stehen im Laufe ihres Online-Geschäfts zwangsläufig vor der selben Frage: Wie kann ich meine Liquidität erhöhen um das Wachstum meines Unternehmens weiter voranzubringen? Typische Herausforderungen sind häufig Lieferengpässe die zu Out-of-Stock (OOS) führen, fehlendes Kapital für neue Produkte oder unzureichendes Budget für Marketing. Die offensichtliche Lösung für viele Händler:innen ist oftmals die Aufnahme eines Kredits.

In diesem Artikel stellen wir Euch die gängigsten Finanzierungsmöglichkeiten sowie deren potenzielle Vor- und Nachteile vor. Davor ist es allerdings noch wichtig kurz darauf einzugehen welche Fragen Ihr Euch stellen solltet, bevor Ihr Fremdkapital aufnehmt.

Wann ist es sinnvoll die Liquidität zu erhöhen um Wachstum zu generieren?

Nehmen wir das Beispiel der zwei fiktiven Onlinehändler:innen “Maria” und “Markus”, die gemeinsam Regenschirme auf Amazon verkaufen. Die Produktverkäufe laufen recht gut, allerdings stehen die beiden momentan vor einigen Herausforderungen bzgl. Ihres weiteren Wachstums:                                           

Problem 1: Versorgungsengpässe und fehlende Lagerbestände                    

„Im Herbst oder in längeren Perioden mit schlechtem Wetter haben wir eine unerwartet hohe Nachfrage. Deshalb sind die Produkte sehr schnell vergriffen.“     

Problem 2: Keine Liquidität für neue Produkte                              

“Wir sind von unseren Top-Sellern abhängig und müssen den Großteil unserer Liquidität für neue Aufträge aufwenden. Es ist sehr schwierig, neue Produkte zu testen und das Geschäft stabiler und widerstandsfähiger zu machen.   

Problem 3: Geringes PPC- und Marketing-Budget                            

„Wir haben kein Geld für große PPC-Kampagnen – wir stecken unsere Marge in den Kauf von Produkten. Deshalb kommen wir in Sachen Sichtbarkeit und Branding nicht voran.“                                              

Wichtige Fragen bevor Ihr Fremdkapital aufnehmt

Die Aufnahme zusätzlicher Mittel von Dritten scheint bei diesen Herausforderngen eine einfache und schnelle Lösung zu sein. Allerdings gibt es wichtige Fragen, die Ihr Euch als Unternehmer:in stellen solltet bevor Ihr zusätzliches Fremdkapital aufnehmt. Dazu gehören unter anderem:

  • Welche regelmäßigen Einnahmequellen habe ich?
  • Welche Kosten kommen in der nahen Zukunft auf mich zu?                                         
  • Wie lange ist mein Unternehmen schon auf dem Markt?                         
  • Was kann ich an Garantien geben?
  • Habe ich bereits laufende Kredite oder Ratenzahlungen?

Falls Ihr zu dem Schluss kommt, dass eine externe Finanzierung momentan für Euer Unternehmen in Frage kommt steht Ihr vor der Entscheidung, welche Art der Finanzierung am besten für Eure Unternehmenssituation geeignet ist. In den folgenden Abschnitten stellen wir Euch daher sechs der gängigsten Finanzierungsarten vor:

                                                    
1. Erhöhte Liquidität und schnelleres Wachstum durch Eigenkapital (z. B. Freunde, Familie oder Business Angels)

Dies ist eine Art der schuldenfreien Finanzierung, bei der ein Investor Geld in Euer Unternehmen investiert und im Gegenzug einen Anteil am Eigentum erhält.

Der Hauptvorteil für Euch besteht darin, dass Ihr die Investition nicht zurückzahlen müsst – dafür beiteiligt Ihr die Investoren allerdings an den erzielten Gewinnen Eures Unternehmens. Es fallen keine Gebühren/Zinsen an und Ihr haftet nicht persönlich mit Eurem Eigentum. Deshalb ist diese Art der Finanzierung besonders für Start-ups und KMUs interessant.                            

Die Eigenkapitalfinanzierung bringt jedoch auch einige Nachteile mit sich. Da Ihr einen Teil Eures Unternehmens abgebt (und damit auch künftige Gewinne), gilt Eigenkapital als die teuerste Form der Finanzierung. Persönliche Beziehung zu Investoren können außerdem belastet werden, wenn es mit dem Unternehmen mal nicht so läuft wie erwartet. Letztlich ist noch zu beachten, dass zwar keine direkten Gebühren oder Zinszahlungen anfallen, Eigenkapital aber zu Nachzahlungen aufgrund der Gesetzgebung für Schenkungen und entgangene Steuereinnahmen führen kann.      

 

2. Geschäftskredit (z. B. Kreditlinie bei Eurer Bank)      

Bei dieser, wohl häufigsten Art der Finanzierung, zahlt Ihr den aufgenommenen Kredit mit (in der Regel monatlichen) Zinsen innerhalb eines bestimmten Zeitraums zurück. Der übliche Zinssatz variiert  je nach Kreditnehmer und potenziellen Risiken, liegt aber in der Regel zwischen 1% – 10%.

Ein Geschäftskredit gilt in der Regel als tendenziell günstig, bietet eine große Auswahl und Vergleichsmöglichkeiten und ermöglicht es Euch einen persönlichen Ansprechpartner zu haben (je nach Bankinstitut).

Zwar ist eine persönliche Betreuung oft von großem Vorteil, allerdings haben größere Bankinstitute leider häufig ein mangelndes Verständnis für Euer Online-Geschäft und oft starrere Strukturen und längere Entscheidungsprozesse. Außerdem verlangen sie eine persönliche Haftung und feste Zahlungsfristen. Das führt bei vielen Unternehmern oft zu Frust, da zusätzliche Liquidität meist besser früher als später benötigt wird.    

 

3. Finetrading

Finetrading basiert auf dem Verkauf von Rechnungen. Der Finetrader fungiert als Vermittler zwischen Lieferant und Käufer und finanziert Euren ausgehandelten Auftrag vor. Die Rückzahlung des Darlehens und der zusätzlichen Gebühren erfolgt über einen festen Zeitraum (normalerweise 2 – 6 Monate), in der Regel mit monatlichen Raten. Die Kosten beginnen in der Regel bei ca. 0,7% pro Monat auf den Gesamtbetrag (das entspricht ca. 1,2% Effektivzins pro Monat).

Finetrader kennen sich oft sehr gut mit Online-Geschäftsmodellen aus und ermöglichen eine sehr schnelle Auszahlung und oft auch eine Verlängerung der Rückzahlungsdauer. 

Allerdings verlangen Finetrader eine persönliche Bürgschaft und eine Bonitätsprüfung sowie feste Zinssätze und Gebühren, die jeden Monat fällig werden. Außerdem greift ein Finetrader in Eure bestehenden Lieferantenbeziehungen ein, was zu einem potentiellen Wettbewerbsnachteil führen könnte.

4. Factoring

Factoring beschreibt den Verkauf von Forderungen mit einem Abschlag an einen Dritten, den so genannten Factor. Der Factor ist dann der Begünstigte der Forderung. Factoring kann auf zweierlei Weise für Liquidität sorgen: Durch die Bereitstellung von Bargeld im Voraus und durch die Freisetzung von gebundenem Betriebskapital, das ansonsten für die Finanzierung ausstehender Rechnungen verwendet würde.

Die Rückzahlung des Darlehens und der Gebühren erfolgt in der Regel ähnlich wie beim Finetrading über einen festen Zeitraum, in der Regel in monatlichen Raten innerhalb von 2 – 6 Monaten. Die Kosten beginnen normalerweise bei etwa 2% auf den Gesamtbetrag.

Die Hauptvorteile sind schnelle Bearbeitungs- und Auszahlungszeiten, eine Erhöhung der Kreditwürdigkeit Eures Unternehmens und die Absicherung von Forderungen. Dies kann allerdings auch zu Problemen führen.

Da der Factor nun die Forderungen gegenüber Euren Kunden eintreibt, gebt Ihr Kontrolle über Eure Kundenbeziehungen an Dritte ab, die ggf. weniger kulant und kundenorientiert als Ihr eingestellt sind. Bezüglich der Kosten ist der fixe Teil beim Factoring in der Regel höher als bei anderen Finanzierungslösungen. Abschließend gilt noch zu beachten, dass Factoring oft nur für ausgewählte Branchen und B2B-Unternehmen verfügbar ist.

5. Umsatzfinanzierung

Dies ist eine neuere Form der Finanzierung, die sich immer größerer Beliebtheit erfreut. Es handelt sich im Wesentlichen um ein Darlehen, bei dem der Rückzahlungsbetrag auf einem Prozentsatz der Einnahmen des Unternehmens basiert. Die Rückzahlung wird in der Regel für einen Zeitraum von 3 – 5 Monaten festgelegt.

Diese Art der Finanzierung kann besonders für solche Unternehmen hilfreich sein, die keine herkömmlichen Kredite von Banken oder anderen Kreditgebern bekommen können. Gleichzeitig ist Euer Unternehmen einem geringeren Risiko ausgesetzt: Wenn Eure Einnahmen zurückgehen, zahlt Ihr in diesen Zeitraum auch weniger Zinsen. Das verschafft Euch ein hohes Maß an Flexibilität in Bezug auf Eure Liquidität.

Diese Flexibilität hat allerdings auch ihren Preis. Umsatzfinanzierung gilt mit Kosten zwischen 4 – 12 % auf den Gesamtbetrag als sehr teuer und ist nur bei einem erforderlichen Mindestumsatz und erfolgreicher Risikoprüfung möglich. Achtung: Die Gebühren richten sich außerdem nach dem Verwendungszweck des Kredits. (Marketingausgaben sind in der Regel am günstigsten, Wachstum, z. B. Gehälter, am teuersten).

6. Einkaufsfinanzierung

Eine weitere, sehr an Onlinehändler:innen orientierte Lösung für Wachstum ist die Einkaufsfinanzierung. Hier dient ausschließlich Eure Ware als Sicherheit, es wird keine weitere persönliche Garantie oder Haftung verlangt. Eure Produkte werden anhand von E-Commerce-Plattform-Daten (z.B. Amazon, eBay, etc.) auf ihr Verkaufspotenzial bewertet. 

Die Einkaufsfinanzierung ist nicht zweckgebunden und kann beliebig eingesetzt werden:

Zur Erhöhung der Liquidität Eures Unternehmens, zur Finanzierung von Wachstum und neuen Produkten oder für höhere Marketingausgaben. Daher ist die Einkaufsfinanzierung gerade für Start-ups und KMUs sehr gut geeignet. Die Rückzahlung ist innerhalb der Laufzeit, in der Regel zwischen 6 – 9 Monaten, flexibel und ohne zusätzliche Kosten möglich. Ein weiterer großer Vorteil ist, dass der Kreditgeber im Gegensatz zu anderen Finanzierungsmöglichkeiten nicht in Eure Kunden- oder Lieferantenbeziehungen eingreift und damit Eure Wettbewerbsfähigkeit am Markt schützt.

Potentielle Nachteile dieses Modells sind, dass manchmal eine Lagerhaltung bei Dritten erforderlich sein kann und dass für Folgekredite ein neuer Antrag gestellt werden muss. Die Kosten der Einkaufsfinanzierung liegen bei etwa 1 – 2% Effektivzins pro Monat.

 

Fazit

Abschließend lässt sich sagen, dass es nicht die eine richtige Lösung für die Finanzierung und das Wachstum Eures Online-Unternehmens gibt. Bevor Ihr allerdings entscheidet zusätzliches Fremdkapital aufzunehmen, solltet Ihr kritisch Eure aktuelle Geschäftssituation analysieren und bewerten.

Falls Ihr auf der Suche nach mehr Liquidität und einem strategischen Wachstumspartner mit einem hohen Maß an Flexibilität und einem deutlich geringeren Risiko im Vergleich zu traditionellen Kreditgebern seid, können Einkaufsfinanzierer wie Myos eine gute Wahl sein. Das Modell ist speziell auf die Bedürfnisse von Onlinehändler:innen angepasst und Ihr haftet ausschließlich mit Euren Produkten, niemals persönlich. 

Titelbild von Kelly Sikkema. Weitere Bilder von Myos. 

  

Moritz Witte

Business Development Intern bei Myos

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